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7,62 x 39
sag mir wie alt du bist und woher du kommst
Alexander Kaiser | 14. Oktober 2024
Alles begann mit einer einfach klingenden Anfrage via Mail von einem unserer Kunden. Selbstverständlich wurde der Veröffentlichung der Bilder und Informationen vom Kunden im Vorfeld zugestimmt. Alle Details können bzw. dürfen allerdings nicht genannt werden.
Folgende Fragen wurden von Auftraggeber an mich übermittelt:
- Handelt es sich hierbei um eine deutsche Produktion, oder osteuropäisch?
- Aus welcher Zeit stammen die Patronen samt Verpackung?
- Das Druckzeichen in Form eines "Hakens" auf der Packung und den Hülsen. Welche Bedeutung hat dieses Zeichen?
Es handelte sich hierbei um das Kaliber 7,62 x 39. Schön verpackt in einem grauen und stabilen Pappkarton. So etwas findet man heute eher weniger bis gar nicht mehr.
Wie viele Kaliber bzw. Munition gibt es auch hierfür selbstverständlich die unterschiedlichsten Bezeichnungen.
Die wenigsten Sportschützen und Jäger kennen allerdings die anderen Bezeichnungen wie die militärische Bezeichnung "Kurzpatrone M43" oder auch 7,62 mm M43. Die 43 dient hier als Hinweis für das Entwicklungsjahr.
Weitere alternative Bezeichnungen sind unter anderem:
- 7,62 mm Sowjetrussland kurz
- 7,62 mm Type 56
- 7,62 mm Modell 60
Die AK-47 kam erst später
Mit sicherlich großen Abstand werden die meisten diese Patrone dem legendären AK-47 zuordnen. Nicht ohne Grund, aber auch hier muss man erwähnen, dass das AK-47 und die Patrone erst später ihren Weg zusammen fanden.
Ursprünglich diente diese Munition im Selbstladekarabiner Simonow Alias SKS-45, oder allgemein SKS Rifle.
Wie die Patrone ist auch dieser Karabiner sowjetischer Bauart und wurde 1944/1945 entwickelt und eingeführt. Das mehr als bekannte Sturmgewehr AK-47 wurde erst 1946 durch ihren Namensgeber Michail Kalaschnikow entwickelt.
Was noch an dieser Stelle zu erwähnen wäre, dass die 7,62 x 39 in ihrer Hülsengeometrie neuartig war. Einer der Vorgängermodelle war die 7,62 x 54 R. Das R in der Bezeichnung verrät, dass es sich hierbei um eine Randhülse gehandelt hatte, welche aber zunehmend durch höhere geforderte Kadenzzeiten zu Störungen in den Waffen führte.
Wie die Deutsche Wehrmacht zu der Zeit, stellte man in der Sowjetunion fest, dass leichtere und kleinere Patronen entscheidende Vorteile zum Beispiel in der Logistik auch Handling mit sich brachten, bei ausreichender Wirkungsleistung. Man geht davon aus, dass die deutsche Patrone 7,92 x 33 entsprechend ein Vorbild für die Entwicklung der 7,62 x 39 gewesen sein könnte.
Ballistisch liegt die 7,62 x 39 bei einer Mündungsgeschwindigkeit (V0) von ca. 700 m/s bei einem 125 grs Geschoss.
Zunächst einmal wollen wir uns auf der Verpackung das Originaletikett anschauen. Hier finden wir schon einige Angaben, die weiter helfen.
Zu sehen ist die damals vergebene Artikelnummer von Frankonia. Ihr braucht euch keine Mühe zu machen, denn diese Artikelnummer (60241) ist schon seit langem aus den Katalogen Frankonias verschwunden. Bzw. zu diesem Zeitpunkt wird Frankonia noch nicht einmal über eine Website verfügt haben.
Zusätzlich finden wir die Kaliberbezeichung und das Gewicht der Geschosse. In unserem Fall in der deutschen Angabe 8,0 Gramm.
Das VLM steht für ein Vollmantelgeschoss.
Der Verpackungsinhalt Beträgt 50 Stück.
Die 03 + 21 A O ist die Losnummer.
Stempelungen grenzen das Alter ein
Kommen wir zum spannenden Teil und zwar auf der rechten Seite der Verpackung. Hier finden sich 2 Stempelungen anhand dessen man schon ziemlich gut den Produktionszeitraum einschätzen kann. Dazu aber später mehr.
Bei der oberen Stempelung handelt es sich um das Beschussamt Mellrichstadt.
Der vom Kunden bezeichnete "Haken" sind in Wirklichkeit ein F W W, welches für Frankonia Waffen Würzburg oder Waffen Frankonia Würzburg steht.
Die beiden WW lassen sich nur unschwer erkennen. Beim F wird es schwieriger. Wenn man ehrlich ist, handelt es sich eher um ein T mit einem Punkt unter dem Balken.
Ich konnte allerdings ausschließen, dass es sich um einen Fehldruck, durch zum Beispiel Abnutzungen der Stempel oder Sonstiges handeln konnte.
Hierzu dienten mehrere Vergleichspackungen mit den jeweiligen Stempelungen, die alle nachweislich aus dem Hause Frankonia's stammen. Zusätzlich wiesen die Drucke auf den Hülsen die selben Formen auf.
Durch dieses Vorgehen konnte ich es soweit eingrenzen, dass dieses Zeichen von Frankonia in der Form ab der 1980er verwendet wurde.
1970-1980 wurden seitens Frankonia eher eine Druckschrift typischere Schrift verwendet. Somit hatten die WW einen anderen Schwingenzug.
Alle Patronen tragen ebenfalls das Kaliber und auch das FWW als Importeur als Aufdruck.
Da der Hülsenboden keine entsprechende Kennzeichnung im Sinne des §34 WaffG Abs. 4 enthält, muss somit auf der Hülse die fehlenden Angaben aufgebracht werden. In diesem Fall durch einen deutlich sichtbaren Aufdruck.
Die Hülsen kann man als sogenannte Stahlhülsen bezeichnen. Diese wurden lackiert um vor Korrosion zu schützen, aber auch um teilweise ein "Verschweißen" im Patronenlager der Waffen beim Verschiessen zu verhindern.
Eine Geschoss-, Zünder oder Pulveranalyse habe ich nicht vorgenommen, da für diese Anfrage uninteressant.
Allerdings brachte ein einfacher Magnettest Klarheit darüber, dass es sich um ein Weicheisenkerngeschoss handeln muss.
Bitte verwechselt das nicht mit einem Hartkerngeschoss! Nicht nur das entsprechende Kennzeichnungen am Geschoss fehlt und wohl kaum über Frankonia vertrieben würden, wäre es auch ein verbotener Gegenstand im Sinne des WaffG. Siehe Anlage 2 Abschnitt 1 in 1.5.4
Ich möchte noch einmal auf das Beschusszeichen Mellrichstadt zurückkommen. Die Beschusszeichen bzw. die Zeichen für die Munitionsprüfung wurden 2006 abgeändert. Seit 2006 trägt Mellichstadt folgendes Zeichen und auf unserer Verpackung finden wir das ältere Beschusszeichen welches Zwischen 1991 und 2006 verwendet wurde.
Übrigens findet ihr unsere aktuellen Beschusszeichen unter BeschussV Anlage II Beschusszeichen, Prüfzeichen Abbildung 4
2 Zahlen - 2 wichtige Informationen
Mit eines der Aussagekräftigsten Informationen liefert bei Munition in der Regel der Hülsenboden.
Zwei Zahlen die viel Aufklärung liefern und auch in letzter Instanz das Produktionsjahr und den Herstellungsort wiedergeben.
Die 71 wird seit 1956 der Fabrik 71 zugeordnet die in der Volkrepublik China liegt.
Die Zahl 88 gibt das Herstellunsjahr an.
Gesonderte Lackschichten zwischen Hülse und Zünder, sowie Geschoss sind nicht erkennbar.
Abschließend lässt sich noch sagen, dass es sich bei dieser Munition um sogenannte Surplus Munition handelt. Diese Art von Munition wurde ursprünglich für das Militär gefertigt und später ausgemustert. Im Anschluss wird diese dem zivilen Markt zum Verkauf und Verbrauch zur Verfügung gestellt. In der Regel ist diese Recht günstig zu bekommen.
Da die Munition durch den Wechsel von militärisch ins zivile dann anderen Gesetzen unterliegt, müssen entsprechend die erforderlichen Kennzeichnungen nachträglich angebracht werden. Siehe oben.
Erfreulicherweise konnten alle 3 Fragen unseres Kunden beantwortet werden.